Sumatra

Am 10. Mai 2017 verlies ich wiedermal mit ungutem Gefühl für längere Zeit meine Yacht. Das Dingi machte ich im Fährhafen fest, verständigte den Hafenkapitän und kaufte mir ein Ticket zur Insel Batam. Um 14.30 Uhr sollte ich am Ticketschalter sein, schlussendlich legte die Fähre erst um 17.15 Uhr ab. Wenn man in Asien oder Afrika reist, braucht man ein starkes Nervenkostüm, Humor und viel Zeit. Denn Zeit spielt hier überhaupt keine Rolle.

Auf Batam übernachtete ich und buchte für den nächsten Tag einen Flug nach Medan, der Hauptstadt von Sumatra. Dort angekommen, stieg ich in einem Backpacker-Hotel ab, besichtigte am nächsten Tag alle Tempel, Moscheen und Kirchen und tags darauf ging es mit einem Geländewagen nach Bukit Lawang im Gunung Leuser Nationalpark, der seit 2004 zum UNESCO-Welterbe gehört. Mein Guide versprach mir, mit hundertprozentiger Sicherheit würde ich einigen wildlebenden Orang-Utans begegnen.

 

Stunde um Stunde hangelte ich mich den bis zu 60 Grad steilen Dschungelpfad hinauf, der eigentlich gar keiner war. Nur dank der vielen Wurzeln und Lianen, die mir Halt für die Hände gaben, erreichte ich den ersten Bergkamm. Dort war ich dann schon gefühlt am Ende meiner Kräfte. Vier Monate keinerlei Sport, nur mit den Gästen essen und saufen, dies sollte sich nun schwer rächen.

Plötzlich aber zeigte sich der Grund meiner Schinderei, die ersten Orang-Utans waren zu sehen. Ich hätte keinen der Primaten entdeckt, denn meine Blicke hatten sich nur auf den nächsten Tritt zu meinen Füßen gerichtet. Nun aber war sämtliche Müdigkeit am Schlag verflogen. Wie Django der Westernheld, schoss ich mit meinen Kameras aus allen Rohren. Eine Orang-Utan Mutter mit ihrem Baby hangelte sich bis zu uns herab mit ausgestreckter Hand. Diese Geste kannte ich von den Afrika-Jungs mit „give money!“ Madam Orang bekam natürlich kein Geld, sondern Früchte. Ich befragte meinen Guide zu der Zutraulichkeit der Menschenaffen, da ich bezweifelte, dass sie wild sind. Seiner Aussage nach sollte es sich wirklich um wildlebende Affen handeln, die aber sehr schlau seien. Da an dieser Stelle jeden Tag Trecking-Leute vorbeikommen, die immer Essen mit sich führen, bauen sie ihre Baumnester in der Nähe der Pfade. Wie ich später noch erfahren sollte, handelte es sich aber um ausgewilderte Orang-Utans, die ihre Menschenscheu weitestgehend verloren hatten.

Als es weiterging und ich mit meinen 77 Jahren später wiedermal gefühlt kurz vor dem Ende war, begegneten wir der schon berühmten Mina, einer Affendame, mit ihrem ca. sechs Jahre alten Kind. Da Mina gerade schwanger war, neigte sie zu manch aggressiver Handlung. Dieses Mal wanderten die Früchte aber nicht Hand in Hand, sondern wurden in respektvollem Abstand von dem Guide auf einen umgestürzten Baumstamm gelegt. Total fasziniert filmte ich die Szene und wurde plötzlich an den Schultern zurückgerissen, denn Mina steuerte direkt auf mich zu. Als sie nicht Halt machte, nahmen wir noch weiter Abstand. Mina klaubte die Bananen auf, die der Ranger ihr hingeworfen hatte. Nach einiger Zeit, wie gekommen, so zerronnen, Mina war wieder in den Baumkronen verschwunden. Danach war ich mir sicher, Mina wollte mich nur begrüßen, denn ich weiß nicht warum, aber ich habe einen heißen Draht zu Tieren. Ich erinnere mich an die schier unglaubliche Begebenheit im Dschungel von Uganda, als ein Silverback-Gorilla sich direkt vor meine Füße legte, sich rollte und in allen Lagen wie ein Model posierte.

 

Immer wieder warf ich einen Blick auf die Uhr, wann es endlich 13 Uhr war und wir pausieren sollten. Wir waren aber noch hoch in den Bergen und kein Zeltlager in Sicht, welches an einem Wildbach sein sollte. Gegen 13.30 Uhr dann endlich der erlösende Ruf, „Stop! Lunchtime.“ Total geschafft setzte ich mich auf einen Baumstamm und wurde erst wieder in die Gegenwart zurückgeholt, als mich etwas piekste. Plötzlich zwickte es aber überall und ich begann einen richtigen Indianertanz. Saß ich Depp doch tatsächlich auf einer Ameisenstraße. Hose und Hemd auszuziehen geschah so schnell, was ich meinem geschundenen Körper nie zugetraut hätte. Hilfreiche Hände zupften die Biester von den Beinen und meinem Hintern. Als wieder Ruhe im Busch eingekehrt war, wurden wir von unseren Leithengsten mit leckerem Nasi Goreng und einer Obsttafel bewirtet. Ich hoffte, der Rest der Tour würde nicht mehr so anstrengend sein, denn die drei Liter Wasser, die ich mitführte, waren fast verbraucht.

Als ich George, den Guide, zur Dauer unseres Trecks an diesem Tag befragte, war ich nach seiner Antwort am Boden zerstört. Wir hatten erst sechzig Prozent unserer Strecke zurückgelegt. Nach weiteren drei Stunden, in denen nicht mehr die Füße mich getragen hatten, sondern nur noch Geist und Wille, hörten wir ein Rauschen tief unter uns. „Da unten ist unser Ziel-Camp“, erlöste uns der Ranger. Nach unten ging es den steilen Abhang mehr auf dem Hintern rutschend als auf den Füßen und so sahen wir anschließend auch aus wie kleine Schweine. Unten angekommen mussten wir den Bach an einer seichten Stelle durchqueren, denn unser Nachtlager befand sich auf der gegenüberliegenden Seite. Samt meiner tropfnassen, vom Schweiß durchtränkten Kleidung stürzte ich mich in die Fluten. „Mei tut des guad“, schrie ich zu den Buschbewohnern und wollte aus dem Bach gar nicht mehr heraus. Nach gut dreißig Minuten war ich aber dann doch recht unterkühlt und wollte aufstehen, doch Krämpfe in beiden Beinen verhinderten das. Nach allen Verrenkungen zur Schmerzlinderung zwang ich mich unter wahnsinnigen Schmerzen aufzustehen. Daraufhin musste ich nochmal zehn Minuten warten, bis ich einigermaßen gehen konnte. Obwohl ich drei Magnesiumtabletten und drei Liter Wasser geschluckt hatte, konnten die Krämpfe nicht verhindert werden. Schnell riss ich mir das nasse Zeug vom Leibe, zog mir etwas Trockenes an, pflanzte mich ohne Umwege auf eine der Gummimatten und war gleich darauf in Tiefschlaf versunken. Nach gut zwei Stunden wurde ich geweckt, denn es gab ein kräftiges Dinner.

 

Vor dem Aufbruch am nächsten Morgen begann ein scheußlicher Akt, denn jeder musste wieder in seine nassen, kalten Klamotten schlüpfen. Schnell füllte ich noch meine leeren Wasserflaschen im Bach auf. Die beiden Guides erklärten mich für verrückt, weil ich Wasser aus dem Fluss trinken wollte. Nachdem ich ihnen erklärte, dass ich rund um die Welt bis jetzt immer kristallklares Bergwasser getrunken hatte und nie erkrankte, ließen sie mir meine Ruhe. Ohne Schuhe und Jeans auszuziehen ging es wieder durch den Bach und dann eine Stunde steil bergauf. Doch plötzlich deutete George in eine der Baumkronen, in der zwei Orang-Utans halb verdeckt vom Blätterwerk saßen. George stieß wieder seinen Lockruf aus und tatsächlich kamen sie näher. Ich stellte meinen wasserdichten Kamerabeutel ab und kramte nach Video und Kamera. Plötzlich rief George „Gang, Gang, look!“ Ich drehte mich zu ihm um und er deutete über mich. Ich richtete mich auf und erschreckte im ersten Moment. Zwei Meter über mir hing mit akrobatischer Einlage eine Orang-Utan-Dame und streckte die Hand nach mir aus. George reichte mir schnell eine Banane, ich ihm meine Kamera und so waren die Orang-Lady und der Gang im siebten Himmel. Auch die Orang-Tochter schwang sich zu mir herab, denn sie wollte etwas vom Kuchen abhaben. Dies war dann allerdings etwas schwieriger, weil Mama mit ihren Pfoten immer dazwischen grabschte. Nach zwanzig minütiger Showeinlage war das Futter verbraucht und die Damen der Urwaldriesen schwangen sich wieder hinauf in ihre Gefilde.

Nach weiteren zwei Stunden Plackerei, wobei sich jeder Teilnehmer mehrere Male auf den Hintern setzte, hörten wir unter uns das wilde Rauschen eines Gebirgsflusses. Dort unten angekommen, waren wir alle schon ziemlich erschöpft. Wir ließen uns auf die runden Steine nieder und waren froh, dass die Schinderei ein Ende hatte. Aber dort warteten schon eine Art Rafting-Boote auf uns, die von Helfern dort hingeschleppt wurden. Es waren zu einem Floß zusammengebundene, große Gummireifen. Unser Gepäck wurde in großen Plastiksäcken verstaut, auf den Flößen verzurrt und schon ging die Fahrt über die Stromschnellen abwärts zurück nach Bukit Lawang. Ich ärgerte mich zwar, dass ich nicht meine wasserdichte Sport-Cam dabeihatte, aber zumindest konnte ich das vorausfahrende Floß beim Abgang durch die ersten Stromschnellen filmen, bevor meine Kameras verpackt wurden.

Unser Floß, es waren fünf riesige, zusammengezurrte LKW-Gummischläuche, fasste alle Trecking-Teilnehmer meiner Gruppe, zusätzlich zwei Steuermänner, die mit langen Holzstangen vorn und hinten bewehrt waren. Unter Gegröle ging es dann abwärts in einem Höllentempo. Immer wieder wurde das Floß von den vorbeijagenden Felswänden abgestoßen, wobei der hintere Steuermann auf einmal seinen Halt verlor und aus dem Floß geschleudert wurde. An einer seichten Stelle sprang der andere Steuermann von Bord und zog das Floß ans Ufer. Einige Zeit mussten wir warten, bis der verunglückte Bursche wieder das Floß erreichte, dann ging es weiter. Als wir Bukit Lawang erreichten, war jeder im Floß happy, denn dieser Ritt war ein krönender Abschluss für den ganzen Treck.

Der nächste Tag diente mir zur Erholung und ich ließ mich mit einem Tuk Tuk durch die nahegelegenen Dörfer kutschieren.

 

Schon am darauffolgenden Morgen saß ich acht Stunden, eingequetscht wie eine Ölsardine, in einem Toyota-Kombi für acht Personen. Da jeder Tourist zwei Gepäckstücke mit sich führte, es kaum Stauraum im Fahrzeug gab und die Straßen mehr Löcher hatten als ein Schweizer Käse, wurde der Trip wieder mal zur Hölle. Mein Bein tobte wie wahnsinnig und der Muskelkater in allen Gliedern tat sein Übriges. In Berastagi war dann aber Schluss für mich. Obwohl ich bis nach Tongging bezahlt hatte, stieg ich dort aus. Im Guesthouse Talidah fand ich für die nächsten zwei Tage einen brauchbaren Unterschlupf.

Als sich zwei Touristen mit dem Inhaber über die Besteigung des Vulkans Sibayak unterhielten, klinkte ich mich sofort ein. Um 16 Uhr sollte es mit dem Hotelbesitzer als Guide und einem Fahrer losgehen. Mit raschem Tempo fuhren wir aufwärts, denn wir wollten auch noch den Sonnenuntergang miterleben. Die drei Tage Trecking zu den Orag-Utans hatten sich bemerkbar gemacht, denn es ging mir sehr gut. Das Bein war zwar noch angeschwollen, doch mit der Luft hatte ich keine Probleme mehr. Unser Tempo machte sich bezahlt, denn als wir am Kraterrand standen, ging gerade die Sonne hinter einer schwarzen Wolkenbank unter. Schnell mussten wir aber unsere Zelte aufbauen, da es bald zu regnen begann.

Um 6 Uhr morgens standen wir am Kraterrand, doch die Sonne zeigte sich nur mit einem roten Streifen am Horizont. Zumindest regnete es nicht mehr. Einige junge Indonesier waren auch schon oben und wieder hatte ich das gleiche Problem, ich musste Model stehen. Viele wollten sich mit mir ablichten lassen. Welch komische Ausstrahlung ich habe, ist mir echt ein Rätsel. In China fragte man mich drei Mal, ob ich Sean Connery sei. Als wir bereits dreißig Minuten am Hauptkrater gestanden waren, konnte ich es vor ätzendem Rauch nicht mehr aushalten. Die Schwefeldämpfe brannten in meiner Kehle wie Feuer, die Augen tränten und ein permanenter Hustenreiz überkam mich. Wir stiegen etwa fünfzig Meter ab zum Nebenkrater, wo aus vielen Löchern mit fauchendem Zischen Schwefelgase entwichen. In einem Umkreis von einem Meter waren die Löcher giftgelb umrandet.

 

Zurück in Berastagi, saß ich am nächsten Tag wieder in einer Folterkammer in Form eines Van-Busses, sieben Stunden lang zu acht auf dem Weg nach Parapat. Der Fahrer, ein total durchgeknallter Rasta-Typ, hatte Freude daran uns allen Angst zu machen, denn er fuhr wie eine gesengte Sau. Seine Rasta-Mähne war so lang, dass sie ihm bis über den Hintern reichte, das Ende verschwand in seiner Hosentasche. Gegen 18.30 Uhr kamen wir im Hafen von Parapat an und schon dreißig Minuten später saßen wir auf der Fähre nach Tuk Tuk auf der Insel Samosir. Für 14 Euro pro Nacht stieg ich in einem herrlichen Hotel ab, mietete mir für drei Tage ein, lieh mir ein Motorrad aus und durchforstete bei herrlichem Sonnenschein und mildem Klima die ganze Insel. Ich fuhr in die Berge rauf zu einem Vulkan bis es nicht mehr weiterging. Ich besuchte alte Dörfer des indigenen Volkes Batak mit historischen, kannibalischen Hinrichtungsstätten und erholte mich von meinen vorangegangenen Strapazen. Nach meinem Aufenthalt auf Samosir ging es zurück zum Festland und danach weiter zur Hafenstadt Sibolga.

 

Am Hafen angekommen wurde ich wieder mal von einer Schar Halbaffen umringt, die mir ein Ticket für die Fähre andrehen wollten: „Ticket, Ticket, Ticket!“ Aber nicht nur von einer Seite, sondern gleich von allen. Ich kaufte mir schließlich ein Ticket und fragte die Dame dabei nach einer Toilette. Ich ging zu der Toilette, denn ich hatte meine Nöte, doch auch dahin folgte mir so ein Widerling, der mir irgendetwas andrehen wollte und zog mich am Ärmel. Jetzt rastete ich aber aus, denn das kann ich überhaupt nicht vertragen, wenn mich so eine Straßenhyäne anfasst, denn schnell ist eine Hand irgendwo verschwunden und mir fehlt irgendetwas.

 

Als ich dann auf der Fähre war zur Insel Nias, standen mir zwölf Stunden Nachtfahrt bevor. Darauf folgten fünf Stunden im Sammeltaxi runter nach Telukdalam und anschließend ein Kampf mit den jungen Motorradfahrern, die mich natürlich vom Preis her über den Tisch ziehen wollten. An der traumhaft schönen Sorake-Bucht mit einigen Homestay-Unterkünften, fand ich die nächsten drei Tage meinen innerlichen Frieden wieder. In meinem Guide-Buch hatte ich gelesen, dass diese Bucht einer der schönsten Surfplätze der Welt sei und dass die berühmte Weltklassewelle am Sorake Beach unter Surfern sehr bekannt ist.

Am 28. März 2005 bebte auf Nias die Erde mit einer Stärke von 8,7. Die Hauptstadt wurde zu 75 Prozent dem Erdboden gleichgemacht, viele Menschen fielen dem Beben zum Opfer und in der Sorake Bay hob sich das Riff über einen Meter an.

 

Am nächsten Tag war ich dann mit dem Motorrad und einem Englisch sprechenden, fetten Guide unterwegs zu einigen historischen local villages. In Hilisimaetano war ich dann schon sauer auf meinen Guide, da er zu faul war mich ins Dorf zu begleiten, in welchem noch über hundert Jahre alte Holzhäuser stehen. Da es tagelang geregnet hatte, war der ganze Dorfplatz mit Wäschestücken bepflastert, die auf Matten am Boden zum Trocknen ausgebreitet waren. Die Dorfbewohner waren sehr freundlich zu mir, man lud mich in so manches Haus ein. In jedem dieser Häuser hingen noch alte Schilde und Speere, denn ihre Vorfahren waren gefürchtete Krieger und Kopfjäger. Das alte Nias war ein Ort der Gewalt. Sie führten permanent Kriege, raubten Sklaven für die Arbeit oder gebrauchten sie als rituelle Menschenopfer. Bei den Kindern des Dorfes hatte ich einen Stein im Brett, da ich einen ganzen Sack Bonbons gekauft hatte und verteilte.

Auf dem Weg zum nächsten Dorf war mein Fahrer dann auch noch betrunken und ich machte ihn zur Sau, weil er viel zu schnell fuhr. Als wir Bawomataluwo erreichten, kam mein Guide die 500 Stufen zum Dorf nicht rauf, er pustete schon nach wenigen Metern aus dem letzten Loch. Ich ließ ihn einfach zurück und ging alleine weiter. Ein Dorf, komplett aus Holz gebaut, das bereits weit über hundert Jahre alt und wo noch jedes Detail original erhalten ist. Das Dorf ist angelegt in T-Form, die Holzhäuser stehen Wand an Wand mit Verbindungstüren zueinander, damit sich die Bewohner früher besser gegen Feinde verteidigen konnten. Es war auch deswegen stets uneinnehmbar, da es auf einer Bergkuppe errichtet worden war. Mir hat sich dort als Führer ein sehr netter, junger Bursche angeboten, der für seine Dienste keine Entlohnung haben wollte. Er führte mich zum bombastischen Königspalast, vor dem zwei tonnenschwere Steine stehen, die vor 400 Jahren vom Steinbruch zum Berg hoch geschleppt wurden. Dominierend zeigt sich der riesige Palast in der Mitte des Dorfes, es ist das architektonische Prachtstück Indonesiens. Das Gebäude ruht auf einem gewaltigen Rost aus Baumstämmen, die ineinander verflochten sind ohne jeden Nagel oder sonstige künstliche Verbindungen. Eine komplizierte Hartholz-Balkenkonstruktion unter dem Dach, welches bis zu einer Höhe von sechzehn Metern reicht, erzeugt einen großen Lebensraum, für die königliche Familie. Lichtkegel aus offenen Luken im Dach illuminieren die kunstvollen Schnitzereien an den Wänden und Balken.  

Der riesige Dorfplatz, auf dem früher Ritualtänze stattgefunden hatten, lebt jetzt wieder mit Tänzen für Touristen gegen hohe Bezahlung auf. Man führte mich dort zum gleichen Stein wie im Dorf Hilisimaetano, nur war er noch etwas höher, und bot mir für 250.000 Rupiah an, einen Sprung junger Dorfbewohner in Traditionskluft zu bestaunen. Ich sagte sofort zu, denn ein Sprung über einen zwei Meter hohen Stein ohne Berührung erschien mir unmöglich. Schnell zogen zwei Burschen die kriegerische Bekleidung an und ich machte mich mit der Kamera bereit. Schon nahm einer von ihnen Anlauf und flog wie ein Vogel über das hohe Hindernis. Danach folgte noch ein weiterer Sprung, den zwei gerade eingetroffene Japaner bezahlten. Dieses Spektakel war früher eine Art Mannesbestätigung, um den älteren Kriegern zu zeigen, dass Jungkrieger im Stande waren am Kriegsgeschehen oder an Raubzügen teilzunehmen. Zum Abschluss der Dorfführung brachte mich mein junger Guide noch zu der Hütte seiner Tante. Dort konnte ich eine Vielzahl uralter Reliquien des Stammes bestaunen und einen traditionellen Halsreif für mein Reisemuseum in Deutschland erwerben, den die Krieger bei ihren Kriegszügen getragen hatten.

Als wir wieder bei meiner Herberge angelangt waren packte ich meine Kameras und begab mich zum Strand, um das Treiben der Surfer abzulichten. Drei Stunden saß ich und filmte die waghalsigen, drahtigen Kerle, wie sie blitzschnell mit der herannahenden Welle auf ihr Bord sprangen und im hohen Tempo an der riesigen Wasserwalze dahinjagten. Manche verschwanden im Walzentunnel und tauchten wieder auf, um danach über den Wellenkamm zurück zu ihrem Ausgangsort zu paddeln. Gegen 20 Uhr ging meine Reise dann aber auch wieder zurück ans Festland. Die Nachtfahrt mit der Fähre von der Hauptstadt Gunungsitoli nach Sibolga sollte mir aber als Horrorerlebnis in Erinnerung bleiben. Es war total überfüllt, mehrere Personen mussten auf dem Boden schlafen, die See war sehr rau und somit mussten sich auch viele Passagiere übergeben. Der Boden war vollkommen bedeckt mit Müll und Kotztüten. Da es mir gestunken hatte und ich mir das Chaos nicht länger ansehen wollte, blieb ich die ganze Nacht draußen an der Reling.

 

Am nächsten Morgen gegen 9 Uhr erreichten wir Sibolga, ich war geladen und stinke sauer. Schon wieder stürzten hunderte Wartende auf mich zu und wollten mir ein Taxi andrehen. Ein ganz besonders Aufdringlicher bekam von mir einen Renner, dass er gegen das Geländer flog. Diese Aktion erzeugte Respekt und nur noch einer folgte mir bis zu einem Restaurant. Er erzählte mir, dass eine Fahrt mit dem Sammeltaxi nach Bukittinggi zwölf Stunden dauern würde. Ich glaubte erst, er wollte mich veräppeln und jagte ihn zum Teufel. Ein alter Mann stand mit einem uralten Tuk Tuk vor dem Restaurant und ich ließ mich von ihm zum Busbahnhof bringen. Unterwegs starb sein Gefährt einige Male ab, erst lag es am Motor, dann sprang die Kette raus und zuletzt war das Benzin leer. „Bleib ganz ruhig Gang,“ sagte ich mir, „das ist Leben!“ Als wir endlich ankamen und ich fragte, was ich ihm bezahlen müsste, deutete er auf einen Zehntausender in meiner Geldbörse, etwa 70 Cent, und ich gab dem armen Kerl 30.000 indonesische Rupiah, was ihm die Gesichtszüge entgleisen ließ.

 

Am Busbahnhof fragte ich die Dame am Schalter nach einem Ticket Richtung Bukittinggi, welches 130.000 Rupiah kostete. Ich musste feststellen, dass die Fahrt doch zwölf Stunden dauern sollte. Die Abfahrt sollte erst um 19 Uhr sein, also musste ich zehn Stunden warten und dann noch zwölf Stunden fahren. „Das ist mir zu viel!“, so glaubte ich. Ich kaufte widerwillig das Ticket, saß auf der Treppe und grübelte so vor mich hin, als ich plötzlich mit brauchbarem Englisch angesprochen wurde, warum ich nicht einen anderen Bus nehmen wollte. Er deutete auf eine alte Klapperkiste, die gleich losfahren würde. Doch meinte er, ich müsste in einer Stadt einmal in einen anderen Bus umsteigen. Kaum gesagt, saß ich auch schon in dem alten Vehikel. Fünf Minuten später ging die Fahrt auch schon los.

Drei Stunden saß ich alleine im Bus mit Kassier und Fahrer. Ich dachte mir, „diese Strecke kann sich doch niemals rentieren.“ Um 14 Uhr erreichten wir eine Stadt, Mittagspause war angesagt. Eineinhalb Stunden saß ich in einem vollbesetzten Lokal und wartete auf die Weiterfahrt. Als es soweit war, strömten allerdings alle Restaurantbesucher in den Bus, der daraufhin vollbesetzt war. Doch das Martyrium sollte dort erst beginnen. Stunde um Stunde ging es auf einer fürchterlichen Bergstrecke voller Schlaglöcher bergauf und bergab. Die Strecke wurde zur Qual, denn der Fahrer fuhr wie ein Pferd, das seinen Stall riecht. Wenn es nämlich heimwärts geht, fangen sie alle an zu rennen. Nach etwa zehn Stunden fragte ich den Busfahrer, wann ich denn nun umsteigen müsse, doch der Kerl verstand nur Bahnhof. Seit Stunden wurde ich schon von großen Schmerzen im Bein geplagt und musste des Öfteren aufstehen, um die Durchblutung meines Beines zu gewährleisten. Doch der Bus war so voll, dass man sich kein Stück mehr bewegen konnte. Die hintere Bank wurde zwischenzeitlich ausgebaut und das Frachtgut der Reisenden stapelte sich bis zur Decke. Der Mittelgang war vollgestopft mit Reissäcken, an ein Aufstehen war überhaupt nicht mehr zu denken. Auf manchen Doppelsitzen saßen die Passagiere zu Dritt, andere wiederum hatten Hühner und Enten auf dem Schoß, die oft ihr eigenes Orchester zusammen mit Einlagen schreiender Kinder bildeten. Der blanke Horror! Gott sei Dank kamen wir zu einer Unfallstelle, an der ich mit den meisten Fahrgästen aussteigen konnte, um mir die Füße zu vertreten. Nach einer Stunde ging es dann auch wieder weiter. Nach insgesamt siebzehn Stunden Fahrt in dieser Folterkammer wurde an einem Restaurant gestoppt.

 

Inzwischen war es 3 Uhr morgens, die meisten strömten zu der Futterkrippe. Mir aber sagte man, ich müsse nun aussteigen. „Aha“, dachte ich mir, hier sollte ich wohl den Bus wechseln. Da ich den ganzen Tag keinen Bissen zu mir genommen hatte, schlug auch ich mir zu dieser unchristlichen Zeit den Ranzen voll. Da mitten in der Nacht meiner Meinung nach kein Bus mehr nach Bukittinggi fahren konnte, brauchte ich ein Hotel. Ich fragte nach einem Taxi, da wir weit außerhalb der Stadt standen. Gott sei Dank verstanden sie zumindest „Hotel“. Ein Motorradfahrer bot mir an, mich zu einem nahegelegenen Hotel zu bringen. Dort angekommen klingelte ich energisch bis mir eine verschlafene Frau öffnete. Kurze Zeit später lag ich geschafft im Bett und schlief bis Mittag. Als ich dann die Übernachtung bezahlen wollte und nach dem Bus Richtung Bukittinggi fragte, fiel ich aus allen Wolken! Sie sagte mir, „das hier ist Bukittinggi.“ Ich verstand die Welt nicht mehr, man sagte mir doch ich müsste den Bus wechseln. Trotz alldem war ich dann unsagbar erleichtert, dass ich nicht schon wieder in so eine Folterkammer musste. „Wer da seine Nerven nicht im Zaum hält, der dreht durch!“

Nachdem ich mir am nächsten Morgen ein Motorrad gemietet hatte, fragte ich meine Herbergsmutter, ob sie mir ein Zelt geben könnte, da ich eine Nacht im Harau Canyon campen wollte. Ausgeschlafen, fröhlich und singend saß ich auf meinem Motorrad und fuhr aus der Stadt hinaus Richtung Osten. Ziel war der sechzig Kilometer entfernte Canyon. Schlussendlich fuhr ich aber über hundert Kilometer weit, auf der Suche nach ihm, leider hatte ich mich aber verfahren. Da ich gerade durch eine wunderschöne Schlucht fuhr, war ich nicht sauer über mich, denn hier stieß ich auf ein Meisterwerk der Straßenbaukunst. An der engsten Stelle der Schlucht, an der es sehr steil nach oben ging, windete sich die Straße in Serpentinen über einige Brücken von einer Felswand zur gegenüberliegenden. Dieses Straßengewirr hatte ich zuvor schon als Werbung auf einigen Bussen abgebildet gesehen. Da die Schlucht aber auch sehr beeindruckend war, fuhr ich zunächst mal weiter. Als ich diese Meisterkonstruktion gefilmt und fotografiert hatte, ging es weiter auf der Suche nach dem richtigen Harau Canyon.

Was für viele Menschen die weißen Traumstrände der Südsee sind, so ist diese Region das wahre Paradies für Bergwanderer und Naturfreunde. Der Weg wurde zwar langsam unzumutbar für ein Motorrad, doch plötzlich lag vor mir, wonach ich gesucht hatte. Ich stellte fest, der Autor meines Guide-Buches hat nicht übertrieben, es ist für wahr echt ein Bergparadies. Zwischen hohen Felswänden eingebettet fließt ein Fluss, eingerahmt von grünen Reisfeldern und netten Bauern-Dörfern. Dort soll es noch Wildschweine, Tapire, Leoparden und sogar Tiger geben, so steht es zu mindestens in dem Buch. Am Bach, zwischen Bäumen und Sträuchern, schlug ich mein Zelt auf. Bald brannte mein Lagerfeuer und ich verdrückte meine mitgeführte Brotzeit.

 

Als ich am nächsten Tag wieder in meiner Vier-Euro-Absteige war, berichtete mir die Herbergs-Mama: „She is open now!“ Was sie damit meinte, konnte ich im ersten Moment noch gar nicht feststellen. „My door is open?”, fragte ich sie, „no, the Rafflesia!“ Aufgeregt erkundigte ich mich, wo eine Rafflesia blühte. Als sie mir sagte, im Batang-Palupuh-Nationalpark hatte sich vorangegangene Nacht die Blüte einer Rafflesia arnoldii geöffnet, die die weltweit größte Blüte unter den Pflanzen ausbildet, war ich am nächsten Morgen auch schon unterwegs. Bald fand ich einen Guide, der mir dorthin den Weg zeigte. Vor lauter Aufregung, denn schon zwei Mal hatte ich vergeblich in Borneo nach ihr gesucht, hatte ich Trottel vergessen mir die richtigen Schuhe anzuziehen. Als es steil bergauf ging, stand ich mit meinen Slippern auf verlorenem Posten. Ich zog sie aus, band sie an den Gürtel und ging barfuß. Von den Kwaios in den Salomonen gelernt, krallte ich fest meine Zehen in den lehmigen Boden und siehe da, es klappte hervorragend. Später sollten meine Füße aber noch stark bluten, da sich einige Blutegel festsaugten und an meinen Füßen ein Festmahl zelebrieren sollten. Eine Stunde ging es steil bergauf. Über unseren Köpfen regten sich Schimpansen mit ihrem lautstarken Protestgeschrei über den gestörten Dschungelfrieden auf. Plötzlich blieb der Guide stehen, deutete seitlich nach unten und dann sah ich sie, die Rafflesia arnoldii.

„Waooo“, einfach umwerfend, wunderschön, nicht gerade die Größte, die ja bis zu einem Meter groß werden, aber die siebzig Zentimeter große Blüte, die ja nur maximal drei Tage blüht, war auch beeindruckend.

 

Am nächsten Tag fuhr ich zum Vulkan Merapi, an dessen Ostseite in einigen Dörfern noch originale Minangkabau-Häuser stehen. Über Haarnadelkurven ging es den Mount Merapi hinauf, der 2.930 Meter hoch ist. Traumhafte Aussichten zeigten sich mir mit den saftig grünen Reis-Terrassen, die unter mir lagen. Plötzlich merkte ich, mit dem Motorrad stimmte etwas nicht, im Vorderrad war fast keine Luft mehr. Langsam trat ich den Rückzug an und ließ den Roller den Berg runterrollen. Ich saß am äußersten Hinterteil des Sattels, um das Vorderrad zu entlasten. Gott sei Dank lag eine Reparaturwerkstatt auf meinem Weg, in der sie mir den Reifen wieder aufpumpten. Inzwischen regnete es in Strömen und ich zog mir die (nicht) wasserdichte Jacke über. Noch drei weitere Male ließ ich Luft aufpumpen. Als ich endlich bei meiner Unterkunft ankam, war ich nass bis auf die Haut, unterkühlt und zitterte wie Espenlaub.

Tags darauf brachte mich ein Taxi mit all meinen Sachen zum Königspalast der Minangkabau in Pagaruyung. Das gigantische Gebäude mit seinen zehn segelartigen Dächern ist ein Nachbau des damaligen Königspalastes. In dem riesigen Innenraum, der über und über mit Seide, Gold und Silber geschmückt ist, steht mittig der Thronsessel. Über eine Treppe gelangt man hinauf in kleinere Zimmer, wo früher die Konkubinen wohnten. An einem Anbau im Rückgebäude, war das Personal untergebracht.

 

Als wir wieder zurückfuhren, setzte mich mein Fahrer in Padang Panjang an einer Bushaltestelle ab. Unter vielen anderen Wartenden, da jeder Bus bis zum Rand voll war, wartete ich eineinhalb Stunden auf die Weiterreise nach Padang.  Dort angekommen, lief mir die Brühe in Strömen vom Körper. Die fast vier Wochen, die ich nun in Sumatra war, hatten sich immer in einer Höhe von über 1.000 Metern bewegt. Seit einer Stunde saß ich nun auf Meereshöhe an einer Straße, aber kein Taxi war weit und breit in Sicht. Etwas später wurde ich für 100.000 Rupiah auf dem Rücksitz eines Mofafahrers ins „Ticka Ticka“ Hotel gebracht. Dort angekommen machte ich den Fehler, mir ein Zimmer mit Ventilator geben zu lassen. Das kleine Gerät produzierte gerade mal ein winziges Lüftchen Wind und das bei 38 Grad. Aber es sollte nur um eine Nacht gehen, da ich beabsichtigte, am folgenden Tag wieder zu meiner Segelyacht Bavaria II zurückzukehren.

 

Nachdem ich in Batam gelandet war, saß ich gespannt wie ein Pfeilbogen auf der Fähre nach Malaysia und bat zu Gott, dass mit der Bavaria alles in Ordnung war. Als die Fähre ihre Fahrt verminderte und zum Hafen einbog, sah ich sie liegen und war doch stark erleichtert. Nach drei Tagen klarierte ich aus mit dem Ziel Pulau Tioman.

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