Zurück in die Hölle
Um der Verfolgung durch die Küstenwache zu entgehen, weil ich deren Forderung nach Bergung des Wracks und der Registrierung meiner neuen Yacht nicht nachkam, segelte ich erstmal 30 Stunden nach Norden und richtete dann den Kurs nach Westen, Richtung Kenia. Doch die Götter mit ihrem oft grausamen Einfallsreichtum sollten mich nicht in Ruhe lassen.
Am vierten Tag kam starker Wind auf, der sich später zum Sturm steigerte. Sechs bis acht Meter hohe Wellen ließen mein Schiff zum Spielball der Natur werden und jeden Tag ging etwas Anderes kaputt. Erst zerriss der Keilriemen vom Motor, dann löste sich der komplette UV-Streifen der Genua, danach brachen Rollfock und Umlenkung der Windsteueranlage und zuletzt noch das Fall der Sturmfock. Von meinen körperlichen Blessuren ganz zu schweigen, erinnert mich noch heute ein ausgeschlagener Zahn, an diesen Höllentrip.
Durch ungewollte Segelmanöver wegen der gut acht Meter hohen Wellen, einem Riss im Segeltuch und dem Bruch am Windpilot, hatte ich schon einige gefährliche Halsen hinter mir. Das Vorschiff wurde des Öfteren von Brechern total überspült, wobei ich einige Male in heikle Situationen kam. Hätte ich den 17 Meter langen Mast der Bavaria wie geplant mitgenommen, wäre ich samt dem Schiff untergegangen.
Am neunten Tag musste ich mit Bestürzung feststellen, dass ich meinen Zielhafen Kilifi nicht erreichen würde. Am zehnten Tag schlichen sich dann schon starke Bedenken ein, noch den letzten Hafen vor der somalischen Grenze zu erreichen. Sollte mir das nicht gelingen, würde dies meinen sicheren Tod bedeuten, denn entweder würde ich an einem Riff zerschellen oder die Somali-Piraten würden mich um die Ecke bringen. Sie rauben jedes Schiff aus, das sich der somalischen Küste nähert und entledigen sich der Besatzung.
Da der Äquatorialstrom, der zu dieser Zeit auf die Küste prallte, mit vier Knoten von Süd nach Nord setzte, hätte ich nicht einmal Lamu erreicht. In Panik nahm ich den Motor zu Hilfe und steuerte ununterbrochen 45 Stunden von Hand, da der Windpilot, den ich zwischenzeitlich repariert hatte, unter Motor nicht funktioniert. Der Sturm wurde immer stärker, die Wellen immer höher, desto mehr ich mich der Küste näherte. Nachts gegen 24 Uhr erreichte ich dann in der Bucht von Lamu, in die der Sturm genau reinblies. Ich hatte keine Detailkarte, Einfahrtslichter brannten auch nicht und auf meinen Notruf auf Kanal 16 wurde nicht geantwortet. Die Wellen hatten sich durch das seichtere Wasser in der Bucht auf eine Höhe von gut zehn Meter aufgeschaukelt, wodurch die Yacht einige Male mit dem Mast auf das Wasser gelegt wurde. Um mich herum herrschte Weltuntergangstimmung. Jeglicher Versuch, wieder aus dem Hexenkessel zu entfliehen, scheiterte an den hohen Brechern. Bevor ich wieder auf ein Riff geschleudert würde, warf ich zwei Anker. Ein Hexenschuss, hervorgerufen durch Unterkühlung, warf mich dann gänzlich aus der Bahn. Bis zum Morgengrauen, in brodelnder See, quälten mich zusätzlich noch fürchterliche Magenschmerzen. Am Morgen stellte ich an der weißen Brecherwalze fest, dass ich 100 Meter vor einem Riff die Anker geworfen hatte. Um Haaresbreite hätte ich mein zweites Schiff verloren. Bei Tageslicht die Einfahrt zu finden war dann relativ einfach. Die Einheimischen sprachen von einem Sturm von noch nie zuvor erlebtem Ausmaß. Zwei Tage später stellte ich fest, dass im Masttop zwei Drittel des Vorstag gebrochen war. Noch ein paar Stunden länger in dem Inferno und ich hätte auch noch den Mast verloren.